3. Ultrafeine Geometrie

Als fundamentales Element des Grafikdesigns bringen Linien Form und Wesen eines Objekts zum Ausdruck. Während geometrische Linien menschengemachte und technologische Objekte darstellen, stehen geschwungene Linien für natürlichere, organischere Formen. 2020 erleben wir, wie Designer diese Linienstile miteinander verschmelzen, um unmögliche Formen zu realisieren. Diese Designs basieren auf standfester Geometrie, fühlen sich aber dennoch vergänglich und flüchtig an. Sie sehen metallisch aus, wabern jedoch wie Rauch. Ultrafeine Geometrie ist modern, abstrakt und ohne Hilfe eines Computers nur schwer umzusetzen - und finden gern beim Branding von Tech-Unternehmen Verwendung.

4. Papiercollagen

Designer kombinieren Bilder, die eindeutig nicht zum selben Universum gehören, beispielsweise Illustrationen und Fotografien. Mit dem Verzicht auf makellose Bildbearbeitung hinterlassen sie eckige Kanten und weiße Umrisse, die aussehen, als wären sie durch Ausschneiden und Kleben entstanden. Der Effekt soll die Grenze zwischen Kontrast und Harmonie aufheben und diese beiden Elemente in asynchroner Schönheit zusammenbringen.

5. Charismatisches Handlettering

Im digitalen Zeitalter, wo alles sofort Sinn für neue Nutzer ergeben muss, wurde Typografie aus Notwendigkeit sehr funktional. In den vergangenen Jahren sind die Schriften wieder größer, dicker und experimenteller geworden. Im Jahr 2020 wird sich der Trend der überlebensgroßen Schriftarten fortsetzen, allerdings in eine menschlichere Richtung: Individuelles, charismatisches Handlettering ist bereits extrem beliebt und die Markentypografie wird folgen, indem sie farbenfroher, unpräziser und exzentrischer wird. Lettering kann eine zugrundeliegende Thematik verkörpern oder ausgefallen sein, um ein Gefühl für die Menschen hinter der Marke zu vermitteln.

6. Dystopische Ästhetik

Dank der Beliebtheit von Serien wie Black Mirror und The Handmaid’s Tale finden Dystopien ihren Platz über alle Medien hinweg. Im Design findet Dystopie Ausdruck durch kalte Farbschemata, mechanische Typografie, Glitch Art und Bilder, die Technik mit natürlicher Materie verschmelzen oder Menschen komplett aus der Szene ausschließen. Dystopie nimmt häufig die Form eines abschreckenden Beispiels an und erinnert uns daran, aufmerksam und wachsam zu sein. Bisher zeigt sich dieser Trend hauptsächlich in illustrativen Medien wie Albumcovern und T-Shirts.

7. Hyper-Pastiche

Designer werden nicht mehr nur eine Ära wiederbeleben, sondern so ziemlich alle: sei es das viktorianische Zeitalter oder das Mittelalter, Art déco oder Jugendstil; vergangene Kunststile verschmelzen mit modernen Designs zu einer riesigen, chronologischen Collage. Designer machen sich den Kontrast zwischen digitalen Bildern und vergangener Ästhetik zunutze, um eine altertümliche Erhabenheit zu visualisieren, die so oft in vektorisierter Einfachheit verloren geht. Die Herausforderung des Pastiche besteht darin, dafür zu sorgen, dass sich die ungleichen Ästhetiken anfühlen, als würde jede gleichermaßen zu einem zusammenhängenden Werk beitragen. Gut gemacht, besteht der Effekt darin, die Grenze zwischen analog und digital zu beseitigen.

8. Endlos-Animationen

Obwohl sie eine teure Investition sein können, zählen Animationen zu den beeindruckendsten Möglichkeiten, eine Marke zum Leben zu erwecken. Das geschieht in der Regel in Form von Microinteractions und erläuternden Motion Graphics. 2020 verstärken endlose Animationssequenzen die Immersion mit nahtlosen Übergängen, die jede Szene in Echtzeit aus den Elementen des aktuellen Einzelbilds bilden. Das ist nützlich für Marken, die ihre Zuschauer mit auf eine Reise nehmen und ihnen das Gefühl geben wollen, mit ihnen durch eine sich permanent ändernde Welt zu fliegen.

9. Schrägen und Meißel

Durch das Kreieren von 3-D-Formen auf Basis harter Kanten greift der Trend der Schrägen und Meißel zurück auf den klassischen Kampf zwischen Skeuomorphismus und Flat Design. Auf der skeuomorphischen Seite ahmen diese Designs Objekte aus der realen Welt auf subtile Weise nach (wie erhöhte Buttons, gravierte Münzen oder abgeschrägte Steine), bestehen aber aus matten Farben. Das Ergebnis ist ein flaches Bild, das auf verlockende Weise so echt aussieht, als könnte man es berühren. 3-D-Steinschnitttechniken sind besonders bei Designs für digitale Szenarien wie App Icons und Buttons hilfreich. Sie erzeugen ein haptisches Erlebnis für Nutzer und entschärfen die endlose Flachheit, die die visuelle Ästhetik der Bildschirme dominiert.

10. Visualisierung von Livedaten

2020 werden komplexe Livedaten – wie Dashboard-Statistiken – noch schneller verfügbar sein. Für Designer bedeutet das, Informationen auf eine Weise darstellen zu müssen, die sich Änderungen anpasst und dynamisch animiert ist. Das Konzept ähnelt den Visualisierungen in Musik-Apps wie Windows Media Player, die Schallwellen mithilfe abstrakter Grafiken darstellen. Aus stilistischer Sicht streben Designer nach einem ausgesprochen digitalen Look mit dunklen Benutzeroberflächen, schweren Blautönen, abstrakten Polygonen und Typografie, die an VHS-Technik erinnert. Dabei handelt es sich um rein computeranimierte Daten. Dieser Stil ist zudem eine Kombination der oben aufgeführten Grafikdesign-Trends – neonfarbene Farbschemata, organische Geometrie und dynamische Animationen. Der Effekt soll dem Betrachter den Eindruck vermitteln, in einen Großrechner befördert worden zu sein, in dem er in Echtzeit beobachten kann, was hinter dem Computerzauber steckt.

99 Designs gibt es seit 2008. Die Kreativplattform bringt Grafiker und Kunden (Unternehmen, Agenturen, Privatpersonen) zusammen - und widmet sich branchentrends. Der Hauptsitz von 99 Designs liegt in Melbourne, Australien, weitere Büros in Oakland, Kalifornien, und Berlin, Deutschland.


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Autor: W&V Redaktion

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