Sightseeing mit Socken und Duschkopf

Zur Quarantänezeit schwirrten unzählige im wahrsten Sinne des Wortes hausgemachte Videos durch die Social-Media-Landschaften. Mein absoluter Favorit ist bis heute die fachkundige Reiseleiterin, die ihren Mann durch die eigene Wohnung führt. Das ist zum einen eine komische Idee, was soll man sich in häuslicher Quarantäne auch schon ansehen? Viel komischer jedoch ist die Umsetzung. Statt Strand in Sanya oder Terrakotta-Armee in Xi’an bekommt der in Quarantäne gesetzte Reiselustige nun die zum Trocknen aufgehängte Wäsche oder die Duschbrause als Sehenswürdigkeit als Highlight beim Sightseeing angepriesen. 

Humor in China

Sightseeing-Touren im Badezimmer statt Ausflug zum Schloss Neuschwanstein.

Das Foto-Shooting darf natürlich nicht fehlen. Aus allen Perspektiven – die Socken von unten, oben, Blick nach Innen …. Wie das halt so ist, wenn Chinesen reisen. Mit herrlicher Selbstironie nimmt das Video Verhalten in Reisegruppen auf die Schippe.  

Haussport einmal anders

Chinesen haben in Zeiten der Heimquarantäne den Sport zu Hause entdeckt. Es gibt Ranglisten, in denen Yoga-Matten als zweitmeistgekaufter Artikel ausgewiesen werden, gleich nach dem Handrührgerät. Neben den ernsthaften sportlichen Übungen haben Chinesen auch zahlreiche Disziplinen neu entdeckt, oder besser gesagt, einfach neu definiert. Je länger die Heimquarantäne dauerte, desto irrer wurden die Ideen.

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Angeln im Aquarium – frischer kann Sushi nicht sein.

Auf Douyin kann man etliche Hobbyfischer sehen, die geduldig vor ihrem eigenen Aquarium sitzen und warten, bis ein Fisch anbeißt. Was sie mit dem Fang dann anstellen, keine Ahnung. Curling, bisher eigentlich keine ausgemachte Disziplin der Chinesen, hat es auch in das Sportprogramm der Heimsportler geschafft – zumindest die Version des Küchen-Curlings auf glattem Fliesenboden mit Kochtöpfen als Curlingstein und Wischmopp als Curlingbesen.

Auch Schwimmen stand auf dem heimischen Sportprogramm. Trockenschwimmen im Bett, auf dem Boden, auf dem Tisch oder sonst irgendwo – in einem Video wollte ein Schwimmer nicht auf das Unterwasseratmen verzichten und hat sich kurzerhand eine Wasserschüssel unter die Nase gestellt. Alles eben ein wenig anders.

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Zum Trockenschwimmen mit Unterwasseratmen gibts in Quarantäne ein Glas Wein.

Allein und doch gemeinsam

Chinesen lieben und leben die Kultur des Teilens. Auch in Zeiten der Heimquarantäne wollten viele nicht auf Gemeinschaftserlebnisse verzichten. Das Glas Wein zu Hause wurde per Screen und Gruppenchat mit den Freunden getrunken. So etwas habe ich auch in westlichen Videos gesehen. In einem anderen Clip reicht sich eine Gruppe von Männern über die Bildschirme hinweg Zigaretten, bis jeder eine in der Hand hält, um dann gemeinsam zu rauchen. Witzig gemacht, aber doch mit einem ernsthaften Kern.

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Die Raucher verteilen auf scheinbar magische Weise die Zigaretten untereinander.

Humor hilft uns offensichtlich, auch schwierige Situationen und Zeiten besser zu ertragen und zu überstehen. Und vor allem möchten wir dabei nicht allein sein. Auch das eint uns. Wir Menschen sind soziale Wesen, wir brauchen die anderen für unser Lebensgefühl: ob in China, Deutschland oder anderswo auf der Welt. Auch das zeigt sich in Zeiten von Corona deutlich.

In der nächsten Folge wird es dann wieder ernster. Ich blicke zurück auf die ersten Schritte Richtung Büroalltag. Das war schon ein wenig surreal. In Deutschland haben wir diesen Schritt ja noch vor uns. Bis dahin. Bleibt gesund.


Stefan Justl

Stefan Justl verantwortet als General Manager das Geschäft von Storymaker in China. Die Kommunikationsagentur sitzt in Tübingen, München, Berlin, Beijing und Shanghai. Direkt vom Shanghai-Homeoffice aus berichtet er nun zweimal pro Woche auf wuv.de über die Auswirkungen von Corona in China, den Umgang mit der Krise und wie es dort jetzt weitergeht. Den Pilot der Miniserie "Arbeiten in Shanghai: 45 Tage Corona-Schockstarre" lesen Sie hier. Hier geht's zu den Beiträgen über Einkaufendie Gesundheits-App , Schutzmasken Homeschoolinghilfreiche Appssaubere LuftTeleshopping und deutsche Unternehmen in China


Autor: W&V Gastautor:in

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