Keine einheitliche Linie

Indes: Diese Parallele wollen Chrisitan Seidenstücker und auch Insglück-Chef Detlef Wintzen nicht ziehen. "Wir haben bislang nur Absagen im Messebereich zu verzeichnen", sagt Colja Dams, Chef der Wuppertaler Agenturgruppe Vok Dams. Etwa die Hälfte der kurzfristigen Events würden terminlich verschoben, aber nicht abgesagt. In den USA sei noch nichts storniert und die Veranstaltungen lediglich verschoben worden. "Unsere China Offices arbeiten wie vor Corona", so der Manager. Grundsätzlich, meint, Wintzen, reagierten die Kunden alles andere als panisch, sondern mit Bedacht und konstruktiv. Zumal es große Unterschiede gäbe mit Blick auf die Veranstalter. Bundesliga-Spiele, Konzerte aber auch die großen Parties in Techno-Tempeln wie dem Berghain finden munter weiter statt. Fachmessen mit überschaubaren Personenkreisen wie die Augsburger Grindtec oder der Bonner Cyber Security Tech Summit Europe 2020 werden verschoben. Allerdings die Leipziger Buchmesse bis dato nicht.

Unterschiede gibt es natürlich auch von Land zu Land. So hatte man in den vergangenen Wochen das Gefühl, weite Teile Chinas seien lahmgelegt. Doch bei Uniplan, die viel Geschäft im Reich der Mitte macht, "verzeichnen wir trotz der Verschiebungen einiger Großprojekte erfreulicherweise noch keinen Umsatzrückgang, was nicht zuletzt an einem überaus partnerschaftlichem Austausch und der konstruktiven Zusammenarbeit mit unseren Kunden und Partnern liegt", sagt CEO Christian Zimmermann. Die Kölner müssen dennoch das Aus des Autosalon Genf, der Art Basel in Hongkong, der Eisenwarenmesse in Köln sowie des Salone del Mobile in Mailand verkraften. Andererseits ziehe das Geschäft in China sogar wieder an, heißt es.

Erst mal verschoben

Auch Johannes Milla hält den Ball eher flach: "Es hält sich noch im Rahmen", sagt der Inhaber von Milla & Partner in Stuttgart. "Ein kleiner Messeauftritt auf der Hannover Messe wurde abgesagt, und die Autochina verschoben. Mit unseren Kunden in Südostasien geht es bei mehreren langfristigen Projekten nach zweiwöchigem Innehalten und Umorganisieren nahezu unvermindert weiter. Die Kunden sitzen im Homeoffice, und Videokonferenzen sind mehr denn je das Kommunikationsmittel schlechthin." Auch bei Insglück ist man gerade dabei, Inhalte einer Live-Veranstaltung digital aufzubereiten, um sie entsprechend vermitteln zu können.

Fast im Stundentakt poppen Meldungen auf, dass wieder eine Veranstaltung verschoben wurde. So vor kurzem die Digitalkonferenz Vision.A, die am 11. und 12. März hätte stattfinden sollen. Doch was bedeutet das, wenn das Projekt neu terminiert wurde? Oder gar komplett abgeblasen wird? Wer übernimmt die Kosten? Der Auftraggeber oder der Dienstleister? In der Regel ist das in den AGBs der Agenturen geregelt, heißt es bei Joke. Extrakosten, die aufgrund von Veschiebungen entstehen, will Christian Seidenstücker nicht weiterberechnen. Kommt es zu einem kompletten Storno, müsse man gemeinsam mit dem Kunden eine Lösung finden. "Wir sind in intensivem Dialog mit unsesren Kunden", sagt denn auch Detlef Wintzen. Man diskutiere mit ihnen die Pros und Contras, versuche gemeinsam Alternativen zu finden. Auch bei der Kostenfrage. Vor allem mit Blick auf die Kunden mit Rahmenverträgen sagt der Event-Spezialist: "Wir wollen keine juristischen Lösungen". Und: Bevor Aufträge nach außen gegeben werden und Fremdkosten entstehen, sprechen sich Joke wie Insglück nochmals mit ihren Autraggebern ab.

Regeln für die eigenen Mitarbeiter

Doch wie sieht es in den Agenturen, bei den Mitarbeitern dort aus? Bei Insglück versucht man die Reisetätigkeit weiter zurückzuschrauben. Auch mit Blick auf die Klimabelastung. Ähnlich das Procedere bei Joke. Die Kollegen dort, sagt Christian Seidenstücker, seien zudem fast alle mit mobilen Devices ausgestattet und könnten größtenteils mobil zuarbeiten. Bei Uniplan hingegen haben die Teams an den Standorten Guangzhou, Peking und Shanghai in den vergangenen rund drei Wochen aus dem Home Office gearbeitet. Da sich die Situation wieder leicht entspannt habe, heißt es bei Uniplan, man werde in dieser Woche wieder den Office-Betrieb aufnehmen. Mitarbeiter können dann entscheiden, ob sie von Zuhause aus oder im Büro zu arbeiten.

"Wir müssen dem Thema mit Augenmaß und Sachlichkeit begegnen", sagt Wintzen. Das sei man allen Beteiligten schuldig. Wie sich die Lage weiter entwickelt, vermöge keiner zu sagen. Aber "es gibt ein Leben  nach Corona", so der Manager.

Aktuell aber spricht der Verband FAMAB von einem "perfekten Sturm", der über Branche hereinbreche. "Die Unternehmen sind dieser Situation ohne Handlungsoptionen regelrecht ausgeliefert und benötigen dringend Hilfe", sagt FAMAB-Chef Jörn Huber. "Wir beobachten die gesellschaftlichen und politischen Strömungen in dieser Angelegenheit mit großer Sorge. Die Folgen für den gesamten Messestandort Deutschland, dem langjährigen Weltmarktführer, werden drastisch sein, wenn nicht sehr bald wieder vernunftgeprägtes Handeln einkehrt." Laut einem ersten Schadensbericht wird von einem akuten Schaden in Höhe von 426 Mio. EUR gesprochen, der die Branche treffe.


Peter Hammer
Autor: Peter Hammer

Er begleitet seit vielen Jahren redaktionell die Agentur-Branche, kennt noch die Zeiten, als Werbung "sexy" war und mancher Protagonist wie ein Popstar gefeiert wurde. Das Hauptaugenmerk gilt aktuell den Themenfeldern "Agenturstrategie" sowie "Etats & Pitches". Vor allem interessieren ihn innovative Geschäftsmodelle und Konzepte, mit denen die Branche erfolgreich auf die permanenten Veränderungen in der Kommunikation reagieren kann.