40-Stunden-Woche ist nicht mehr zeitgemäß

Auch hält der 38-Jährige die 40-Stunden-Woche schlicht für nicht mehr zeitgemäß. Nicht zuletzt durch Automatisierung und digitale Transformation habe sich auf persönlicher wie auf beruflicher Ebene vieles verändert. "Wir arbeiten nicht mehr nur repetitiv, sondern müssen ständig mit neuen Umständen klarkommen und vor allem kreativ mit unserem Kopf viel leisten." Heutzutage würde überwiegend wissens- und lösungsorientiert gearbeitet, im Vordergrund stünde daher meist die kognitive Leistungsfähigkeit. "Das kann aber keiner acht Stunden voll konzentriert durchziehen."

Also hat sich Rheingans nach seinem Ausstieg aus seinem alten Unternehmen vorgenommen: "Wenn ich noch einmal etwas Neues starte, dann mache ich das anders." Die Gelegenheit dazu ergab sich schon wenige Monate später mit der Übernahme des Bielefelder Teams: Inspiriert durch das Buch "The Five-Hour-Workday" des amerikanischen Paddleboard-Produzenten Stephan Aarstol führte Rheingans bei den Digital Enablern sogleich den 5-Stunden-Tag ein. Seitdem beginnt für die mittlerweile 16 Mitarbeiter der Arbeitstag morgens um 8 Uhr und endet offiziell um 13 Uhr. Danach ist für alle Feierabend.

Ganz so gemütlich, wie sich das anhört, ist das Modell aber nicht. Denn das Pensum, das nun in einem kürzeren Zeitraum erledigt werden muss, ist trotzdem nicht weniger geworden. "Das erfordert schon viel Selbstdisziplin und erzeugt erst mal einen gewissen Druck, weil man weiß, man muss die gleiche Arbeit schaffen", sagt Janine Kunz, die in der Kommunikationsagentur für Presse und Öffentlichkeitsarbeit & Content Management zuständig ist. "Aber mit der Zeit lernt man, damit umzugehen. Ich arbeite jetzt viel strukturierter als früher. Und ich habe dafür ja auch mehr Freizeit."

Dass er seinen Mitarbeitern einen "superanstrengenden Job" zumutet, weiß auch Rheingans. "Locker ist was anderes, denn natürlich sind wir im Wettbewerb und müssen in der gleichen Zeit und für das gleiche Geld wie andere Agenturen liefern."

Lasse Rheingans, Chef der Digitalagentur Rheingans Digital Enabler

Lasse Rheingans ist mit dem Ergebnis seines Experiments zufrieden.

Damit das auch klappt, ist der Arbeitsalltag in der Agentur straff strukturiert: Immer freitags werden die Ziele für die kommende Woche diskutiert und dabei festgelegt, wer welche Aufgaben zu erledigen hat. Montags und mittwochs kommen alle noch einmal kurz zu einem Zwischenbericht zusammen, ansonsten arbeitet jeder hochkonzentriert und zurückgezogen an seinen Projekten. Nachmittags ist die Agentur zwar offiziell geschlossen, über digitale Tools oder auch ein Notfalltelefon für Kunden aber dennoch immer erreichbar.

Um auch die vielen kleinen Zeitfresser und Ablenkungen zwischendurch zu eliminieren, hat sich das Team darüber hinaus noch eine Reihe von Regeln auferlegt: Das Handy bleibt den Vormittag über möglichst in der Tasche, private Telefonate, das Surfen im Internet, Whatsapp und Facebook sind während der Arbeitszeit zwar nicht verboten, aber nicht gern gesehen. Auch das Email-Postfach wird nur morgens und kurz vor Arbeitsschluss gecheckt. Interne Meetings werden erst einmal nur für 15 Minuten angesetzt und auch nur mit vollständiger Agenda inklusive klarer Rollenverteilung der Teilnehmer angenommen.

Auch für den Plausch zwischendurch mit den Kollegen bleibt dann kaum Zeit, was für den einen oder anderen erstmal ungewohnt ist. "Am Anfang dachte ich schon, wie komme ich hier in das Team rein, wie werde ich angenommen", sagt Janine Kunz, die erst seit einem Jahr bei den Digital Enablern ist. Wie wichtig das Zwischenmenschliche gerade in so einer kleinen Mannschaft ist, hat mittlerweile auch Rheingans erkannt, der seine Erfahrungen kürzlich auch in seinem Buch "Die 5-Stunden-Revolution" veröffentlicht hat. "Dieses Thema hatte ich anfangs tatsächlich unterschätzt, das zahlt doch enorm auf die Unternehmenskultur ein."

Das Zwischenmenschliche zunächst unterschätzt

Für die Intensivierung der sozialen Kontakte wird daher außerhalb der Arbeitszeiten gesorgt: Freitags wird immer für alle gemeinsam gekocht, und auch darüber hinaus werden regelmäßig Teamevents organisiert, deren Teilnahme freiwillig ist – sei es, dass man gemeinsam im Garten eines Kollegen grillt, zum Beachvolleyball spielen oder in den Kletterpark geht oder einfach nur Zeit miteinander verbringt. "Letzten Freitag saßen wir noch ein bisschen länger zusammen und haben Spiele gespielt", erzählt Kunz, die sich mittlerweile in dem noch jungen Team richtig wohl fühlt und auch gar nicht mehr woanders arbeiten will.

Für die 25-Jährige ist der Job bei den Digital Enablern nämlich "perfekt", bringt sie auf diese Weise Arbeit und Familie problemlos in Einklang. "Ich habe einen kleinen Sohn und kann mich am Nachmittag voll und ganz und mit freiem Kopf um ihn kümmern, ohne dabei auch noch finanzielle Einbußen zu haben."

Einfach war die Umstellung auf den 5-Stunden-Tag für alle Beteiligten dennoch nicht, und nicht immer klappt alles so reibungslos wie geplant. "Wenn einer sein Pensum bis 13 Uhr nicht schafft, bleibt er auch mal länger", stellt Rheingans fest. Was aber eher die Ausnahme als die Regel sein sollte. "Grundsätzlich arbeiten wir alle Richtung 25 Stunden in der Woche. Manchmal sind es 30, auch mal 35, aber niemals 40 Stunden. Und das in einem Agenturumfeld, wo auch 60 Stunden nicht unnormal sind."