Das war zumindest meine These, als ich mich für den "Social Movie Switch" entschieden habe. 

Meine Ziele mit dem Projekt sind keine kleinen:

  • etablierte Prozesse und Workflows hinterfragen und optimieren 
  • Kommunikation im Team und zu den Redaktionen verbessern
  • Wissensaustausch zwischen den Teams intensivieren
  • Konkurrenzdenken in eine kreative Erweiterung der eigenen Marke umwandeln 
  • Zusammenhalt im Movie-Bereich stärken

Keine Zeit für Zweifel

Bei Webedia haben wir mit unseren beiden Movie-Marken Filmstarts und Moviepilot den Vorteil, dass die Social Media Manager sich mit sehr ähnlichen, bis gleichen Inhalten beschäftigen und diese nur anders für die jeweilige Zielgruppe der entsprechenden Seite verarbeitet werden. Inhaltlich war ein Austausch daher keine Hürde. Beide Seiten berichten im Kern über Filme und Serien. Moviepilot hat dabei eine stärkere Ausrichtung auf die Community und Meinungstexte, Filmstarts positioniert sich mit seinen Kritiken eher als Experte. Für die Erstellung der Posts macht das, mit Berücksichtigung der Tone of Voice, nur einen kleinen Unterschied für die Social Media Manager.

Ich als Team-Lead war nun der festen Überzeugung, dass ein Wechsel der Movie-Social Media Manager die richtige Lösung wäre, frischen Wind in unsere tägliche Arbeit zu bekommen.

Unser Daily Business besteht daraus, die Artikel der Redaktionen bestmöglich auf den sozialen Plattformen zu platzieren, die Community zu unterhalten und Kampagnenideen für unser Sales Team zu entwickeln. 

Ein Großteil des Social-Media-Movie-Teams ist bereits vier bis sieben Jahre bei seiner Marke. 

Ich habe bei Webedia das Glück, mit einem sehr kreativen und eigenständigen Team zusammenzuarbeiten. Doch auch bei den besten Mitarbeitern schleichen sich nach so einem Zeitraum Gewohnheiten ein, die niemand mehr hinterfragt. Prozesse funktionieren eingespielt, sind aber nicht zwangsweise optimiert, bei all diesen verschiedenen Aufgaben und Schnittpunkten. Social Media, und vor allem Facebook mit seinem Algorithmus, verändert sich fast wöchentlich. Als Social Media Manager sind wir gern mal versucht bei vielen Dingen zu sagen, dass wir sie schon getestet haben. Aber gerade in unserer schnelllebigen Branche  sollten sich viel mehr Leute sagen "Was interessiert mich der Test von vor drei Monaten?!". Da Social Media Manager oft auch Early Adopter sind, laufen wir Gefahr neue Sachen zu früh zu testen. User brauchen oft Zeit, um Änderungen zu akzeptieren und in ihr Nutzungsverhalten einzubinden. Erst dann wissen wir als Marke, ob der Test auch die tatsächliche Meinung der User aufzeigt. Es ist also sinnvoll, nach einem ersten Test, der unbefriedigende Ergebnisse gebracht hat, in regelmäßigen Abständen zu testen, ob sich etwas auf User-Seite geändert hat.

Mit der Agilität, die Branchen-Neulinge oft noch haben, war es keine Überraschung, dass die Begeisterung für das Projekt bei unserem neuesten Teammitglied, Melanie Schoeppe, unserer Junior Social Media Managerin, mit am größten war: "Ich empfand die Idee als gute Möglichkeit, noch mehr Facetten von der Arbeit als Social Media Manager kennen zu lernen, mit einer Redaktion zusammenzuarbeiten, zu der ich noch nicht so viel Kontakt hatte und zugleich auszutesten, ob ich mich den neuen Herausforderungen (neue Thematiken, neue Kollegen, neues Publikum) anpassen und bestehen kann."

Herausforderungen in Planung und Umsetzung

Eine der schwierigsten Entscheidungen war es, den Zeitraum und die Länge des Switchs festzulegen. Ein ganzes Quartal sollte niemand von seiner oder ihrer Marke getrennt werden, nur vier Wochen wäre hingegen zu kurz und könnte dazu verführen, bestimmte Aufgaben und Probleme aufzuschieben. Einmal, um sie vielleicht doch nicht selbst lösen zu müssen oder im Umkehrschluss sie selbst lösen zu können, anstatt darauf zu vertrauen, dass die Kollegen das auch hinbekommen könnten. So entschied ich mich für die goldene Mitte und legte das Projekt auf zwei Monate fest.

Damit keine Zeit bleibt, die unkonventionelle Idee zu zerdenken, startete das Projekt gleich einen Tag nach der Ankündigung. 

Unsere Senior Social Media Managerin Katharina Franke beschreibt das Briefing rückblickend so: "Um ehrlich zu sein, war die Ankündigung schon ein kleiner Schock. Ich hab es an einem Montag erfahren und schon am Dienstag sollte der Switch losgehen. Viel Zeit für Fragen und Zweifel blieb da nicht, es ging direkt los. Gerade für Mitarbeiter, die schon lange im Team sind, so wie ich, war das aber vielleicht genau der richtige Weg, um sich so quasi kopfüber in ein neues Abenteuer zu stürzen. Das ist einfach eine Situation, die man so sonst nie erlebt und in der man absolut gezwungen wird, seine Comfort Zone mal zu verlassen."

Ähnlich sah es auch Carsten Baumgardt, der Chefredakteur von Filmstarts, doch zum Glück waren ihm auch sofort die Vorteile bewusst: "Die erste Reaktion war ein kleiner Schock. Warum verlieren wir unsere beiden geschätzten und vertrauten Social-Media-Mitarbeiterinnen? [...] Doch der Schreckmoment dauerte nur einen Augenblick, weil die Chance, etwas Etabliertes mit frischen Ideen aufzubrechen und zu hinterfragen größer war als die Scheu vor dem Unbekannten. Deswegen haben wir als Redaktion die Aktion in jeder Hinsicht unterstützt."

Die ersten Tage war es etwas chaotisch, als sich alle in ihren neuen Aufgaben finden mussten. Jeder musste sich an komplett neue Ansprechpartner in den Redaktionen wenden, um die vertrauten Social Media Tasks zu erfüllen. Plötzlich mussten andere Content-Formate entwickelt werden.

Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Filmstarts-Manager haben als Teil ihrer Content-Strategie auf Instagram das Format #filmeschlechterklärt, in dem Filme so seltsam und witzig zusammengefasst werden, dass man die Storyline kaum wiedererkennt, obwohl die Fakten stimmen. Nun müssen sie für zwei Monate das Format #spoilerohnekontext von Moviepilot auf Instagram fortführen. Dabei sucht man filmfremde Bilder heraus, die Teile des Films verraten, aber nur für die, die ihn schon gesehen haben. Diese Formatwechsel strecken sich über verschiedene Plattformen und wirken sich auch auf die Zusammenarbeit mit unserem Social-Video-Team aus.

Eine besondere Herausforderung dabei waren die Sales-Projekte, im besonderen, dass die plötzliche Umstellung keine negativen Performance-Auswirkungen für die Kunden von Webedia haben sollte. Im Gegenteil: Wie auch die Redaktionen und Marken sollten sie von dem Switch und den daraus resultierenden frischen Ideen profitieren.

Chaos wird mit Kommunikation gelöst

"Interessant ist der neue, etwas andere Blick, der auf unsere Arbeit schaut. Die gesteigerte Kommunikation hat dazu geführt, auch Dinge, die als normal und standardisiert angesehen werden, einfach mal zu hinterfragen." Ines Walk, Chefredakteurin Moviepilot

Ich war sehr glücklich zu sehen, dass beide Redaktionen die "neuen" Social Media Manager gut aufgenommen haben und sich ziemlich schnell alle darauf konzentrierten, aufkommende Fragen im direkten Gespräch zu klären. Jeder brachte umgehend all seine Erfahrung ein.

Die Performance einer Marke auf Facebook brach kurzfristig ein, fing sich aber schnell wieder. Seitdem können beide Marken auf Facebook eine Reichweitensteigerung verbuchen und das Engagement auf Instagram ist auch gestiegen. Für Moviepilot verdoppelte sich sogar der Followerzuwachs für die ersten Wochen.

Tatsächlich war eine merkliche Steigerung der Performance der Seiten, mehr eine Befürchtung als Hoffnung. Natürlich kratzt es am Selbstbewusstsein, wenn plötzlich jemand anders erfolgreicher in deinem Aufgabenbereich ist, als du es warst. Und das, obwohl dir alle immer versichert haben, dass du selbst einen guten Job machst. So war die Performance-Steigerung ein Plus, aber das erklärte Ziel ist trotzdem ein Umdenken in der täglichen Arbeit.

Es war von Anfang an klar, dass diese Änderung von mir als Lead sehr eng betreut werden muss, damit sich keine Unsicherheiten und Selbstzweifel bei den Kollegen einschleichen. Hier war es besonders wichtig zu betonen, dass bestimmte Neuerungen nur durch ihre Vorarbeit möglich waren.

Halbzeit und aktueller Zwischenstand

Dass das Projekt im Team bisher als Erfolg gesehen wird, lassen die Zwischen-Fazits deutlich spüren:

"Die Fragen waren zu Beginn viele, einige sind immer noch da, aber insgesamt empfinde ich das ganze Projekt als (bislang) sehr gelungen. Mir hat es persönlich bisher bereits sehr viel geholfen, mit mehr Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit an die Arbeit zu gehen und vor allem sich mehr zu trauen, die Kreativität nochmal ganz anders zu schöpfen und mehr Risiken einzugehen. Auch auf menschlicher Ebene hat es mir persönlich nur Gutes gebracht und ich finde zudem, dass das große Team immer mehr zu einem Team wird."

-Melanie Schoeppe, Junior Social Media Managerin

"Das Zwischen-Fazit ist, dass es gut tut. Es ist erfrischend, sich inhaltlich mit einer "neuen" Marke auseinander zu setzen und zu hinterfragen, wie man mit ebendieser auf den Social-Media-Plattformen arbeiten kann. [...] Es tut gut, sich selbst in der eigenen Arbeit zu hinterfragen und Erfolge neu zu definieren."

-René Goldbach, Senior Social Media Manager

Diese bisherigen Einschätzungen sind als Führungskraft sehr erleichternd. Auch wenn immer viel davon gesprochen wird, dass alle Leute sich außerhalb ihrer Comfort Zone bewegen müssen, ist so ein persönlicher Wohlfühlbereich etwas ganz natürliches. In ihm liegen unsere Kernkompetenzen, für die wir alle geschätzt werden.

Steife Strukturen, die wir im Hier und Jetzt bemängeln, sind nicht aus Jux und Dollerei entstanden. Sie sind entstanden, weil sie funktionieren oder zumindest lange funktioniert haben und mit neuen Aufgabenbereichen manchmal einfach schlecht gealtert sind. Sich so etwas einzugestehen und eine Veränderung proaktiv anzukurbeln ist ein Kraftakt, den unsere Teams gerade wirklich großartig mit viel gegenseitiger Unterstützung und persönlicher Reflexion meistern.

Auch ich musste hier durchaus meine Komfortzone verlassen, ein funktionierendes Team einer Zusatzbelastung auszusetzen und allen Bedenken zuvor zu kommen, die die Geschäftsführung, die Redaktionsleiter und mein eigenes Team äußerten. 

"Never change a running team" ist eines der Zitate, das ich in meiner Karriere am häufigsten gehört habe. Sich diesem Mantra zu widersetzen, brauchte Mut und Überzeugungskraft. 

Inzwischen gibt es bereits viele Learnings. Die wesentlichsten bisher sind

  • Es war die richtige Entscheidung, die Teams umgehend nach Verkündung umzustellen und keine Zeit einzuräumen, Ängste aufkommen zu lassen 
  • Ein sich gut entwickelnder Instagram-Account kann durch größeren Fokus auf Interaktionen, noch schneller wachsen
  • Moviepilot wird normalerweise von zwei Männern betreut, seitdem zwei Frauen den Account führen, ist der Frauenanteil der Follower um 2 Prozent gewachsen
  • Es gibt in den Teams und auch auf Redaktionsseite eine höhere Bereitschaft neue Projekte aufzusetzen 

Innerhalb unseres Teams und in der Zusammenarbeit mit den Redaktionen ist die Kommunikation so stark angestiegen, dass die Bilanz wirklich positiv ist. 

Es bleiben immer noch vier Wochen übrig und wir werden abwarten, ob es noch weitere Entwicklungen geben wird und was wir im Endeffekt auf jeder Seite dauerhaft übernehmen werden.

Julia Neumann leitet bei Webedia Deutschland die Social Media-und Social-Video-Producer-Teams von Filmstarts, Moviepilot, GamePro, GameStar und VideoSnacks . Dabei ist sie für die Strategie der Social-Plattformen sowie die Teamentwicklung verantwortlich. Zu ihren weiteren Schwerpunkten zählen Themen Content-Creation und Activation, Krisenkommunikation sowie Social-Media-Monitoring und -Analyse.


Autor: W&V Gastautor:in

W&V ist die Plattform der Kommunikationsbranche. Zusätzlich zu unseren eigenen journalistischen Inhalten erscheinen ausgewählte Texte kluger Branchenköpfe. Eine:n davon habt ihr gerade gelesen.