Coronakrise:
Britische Zeitungsverlage reagieren auf Werbeausfälle
Kurzarbeit, Gehaltskürzungen, Einstellung von Print-Ausgaben: Um in den kommenden Monaten das Überleben zu sichern, haben sich die Zeitungsverlage für teils radikale Sparmaßnahmen entschieden.
Die britischen Tageszeitungsverlage geraten wegen des Einbruchs bei den Werbeerlösen infolge der Coronakrise immer stärker unter Druck. Mit drastischen Sparmaßnahmen hatten bereits vor zwei Wochen die Londoner Gratisblätter City AM und Evening Standard reagiert. Doch selbst sie müssen ihre Strategie nun nochmals an die sich weiter verschärfende Situation anpassen. Und auch Reach (ehemals Trinity Mirror), der größte Zeitungsverlag Großbritanniens, kündigte jetzt eine ganze Palette rigoroser Kostensenkungsmaßnahmen an, ebenso wie die Lokalzeitungsverlage JPI Media und Newsquest.
Der Wirtschafts-Gratistitel City AM hatte, wie berichtet, Ende März seine Print-Ausgabe bis auf Weiteres eingestellt. Dafür sollte täglich eine Digitalausgabe produziert werden. Doch sie gibt es inzwischen ebenfalls nicht mehr. Zwar wurden die Druckkosten eingespart, aber die Digitalausgabe, so die Begründung für das Aus, habe redaktionell ebenso viel Aufwand erfordert wie die Print-Ausgabe.
Geplant war ursprünglich zudem, dass die Mitarbeiter in den nächsten Monaten auf die Hälfte ihres Gehalts verzichten. Auch von diesem Plan ist der Verlag nun abgerückt. Stattdessen wurde die Mehrheit der Mitarbeiter in die Kurzarbeit geschickt. Sie erhalten nach einem entsprechenden Regierungsprogramm nun 80 Prozent ihres Lohns aus Steuermitteln, höchsten allerdings 2500 Pfund pro Monat. Bei den verbliebenen Mitarbeitern, die weiterhin für die News-Website cityam.com arbeiten, wird das Gehalt um 20 Prozent gekürzt.
Der Evening Standard, der im Februar noch knapp 790.000 Exemplare vor allem an den Londoner U-Bahnstationen verteilte, hatte die Print-Auflage auf weniger als 500.000 Exemplare reduziert. Sie werden seither mit eigenen Distributionsteams in den wichtigsten Wohngebieten der Stadt ausgeliefert. Angesichts der Tatsache, dass die Werbeerlöse "dramatisch gesunken" sind, hat das Blatt nun zudem sein wöchentliches Supplement ES Magazine eingestellt. Die Print-Werbeeinnahmen machen bei dem Gratisblatt rund 80 Prozent der Gesamterlöse aus.
Darüber hinaus hat der Verlag nahezu die gleichen Maßnahmen wie Konkurrent City AM ergriffen: Ein Teil der Belegschaft geht in die Kurzarbeit, der verbliebene Rest muss eine Gehaltskürzung in Höhe von 20 Prozent hinnehmen, wenn das Jahresgehalt bei über 37.500 Pfund liegt.
Bei Reach geht jeder Fünfte in Kurzarbeit
Der Verlag Reach, der mehr als 200 Lokalzeitungen sowie die überregionalen Titel Daily Mirror, Daily Express und Daily Star herausgibt, reagiert mit einem ganzen Bündel an Maßnahmen. So sollen etwa 20 Prozent der Gesamtbelegschaft von 4700 Mitarbeitern, also rund 940, in Kurzarbeit gehen. Das Top-Management sowie die Redaktionsspitzen müssen auf 20 Prozent, alle weiteren Mitarbeiter auf zehn Prozent ihres Gehalts verzichten. Darüber hinaus wurden sämtliche Bonus-Zahlungen ausgesetzt. Finanzprognosen für dieses Jahr sollen nicht mehr veröffentlicht werden.
Außerdem sei der Verlag in Diskussionen darüber, die monatlichen Zahlungen von 4,1 Millionen Pfund in die Pensionskasse des Unternehmens vorübergehend einzustellen, heißt es. Deren Defizit liegt allerdings bereits bei fast 300 Millionen Pfund. Dagegen plant der Verlag, die Produktion der Print- und Digital-Ausgaben der verschiedenen Zeitungstitel weiterhin aufrechtzuerhalten.
Im Gegensatz hierzu hatte der konkurrierende Lokalzeitungsverlag JPI Media (ehemals Johnston Press) Ende März angekündigt, etwa zwölf seiner lokalen Print-Gratistitel einzustellen. Und Newsquest, der dritte große britische Lokalzeitungsverlag, der zum US-Medienkonzern Gannett gehört, hatte wiederum mitgeteilt, dass eine "signifikante Anzahl" der Mitarbeiter in Kurzarbeit geht, während alle übrigen Mitarbeiter mit einem Jahresgehalt von mehr als 18.000 Pfund eine Kürzung in Höhe von 15 Prozent hinnehmen müssten.