Trendprognose:
Ist 2020 Binge Watching nicht mehr länger "in"?
Laut einer britischen Wissenschaftlerin werden Serienmarathons immer verpönter. Streamingdienste wie Netflix sollten daher ihre Strategie überdenken und sich wieder mehr am klassischen Fernsehen orientieren.
Laut den Untersuchungen der Medienwissenschaftlerin Dr. Mareike Jenner der britischen Anglia Ruskin Universität sind die Zeiten des Binge Watchings langsam vorbei. Die Forscherin veröffentlichte dazu einen Beitrag in der wissenschaftlichen Zeitschrift "Participations: Journal of Audience & Reception Studies".
Mehr Abos durch wöchentliche Ausgaben
Während Streaming-Dienste wie Disney+ und Apple TV+ ohnehin schon vor Launch ankündigten, andere Veröffentlichungsstrategien von Serien zu verfolgen, werde laut Prognosen Jenners selbst Netflix – der Erfinder des Binge Watching – seinen Ansatz ändern. Der Trend gehe zurück zum traditionellen Fernsehen, mit einer Episode pro Woche, wie es HBO mit Game of Thrones erfolgreich vormachte.
Jesse Ramírez von der Universität St. Gallen lieferte dafür gegenüber der Welt folgende Erklärung: Eine Serie hat im Schnitt zwischen acht und 20 Folgen pro Staffel. Zeigt ein Anbieter jede Woche nur eine Folge, muss der Zuschauer wohl oder übel mindestens zwei Monate lang das Senderpaket abonnieren – also über den kostenlosen Probemonat hinaus. Die Chancen, dass der ein oder andere Zuschauer aus Bequemlichkeit sein Abo einfach weiterlaufen lässt, steigen automatisch.
Selbst Netflix vermeidet das Wort "Binge Watching"
In dem Beitrag beschreibt die Forscherin unter anderem den Fall des Schauspielers Guy Pearce, der bereits im Sommer 2018 von Netflix angewiesen wurde, den Begriff "Binge Watching" im Rahmen der Bewerbung der Serie "The Innocents" nicht zu verwenden. "Die Tatsache, dass Netflix ihren Schauspielern sagt, den Begriff nicht in der Öffentlichkeit zu verwenden, deutet eindeutig daraufhin, dass Binge-Watching mittlerweile eher verpönt als gefeiert wird", heißt es in dem Bericht.
Grund dafür sei aber nicht die Verführung zu mehr Abonnements, sondern das mittlerweile schlechte Image: Was früher – dank der Erfindung der Fernbedienung – das stundenlange Zappen zwischen den Kanälen war, ist heute das Binge Watching. Verhalten, das mit Faulheit und dem Bild des uninteressierten "Couchpotato" assoziiert wird.
Netflix steht auch preispolitisch unter Druck
Unabhängig davon, ob Binge Serienmarathons an Beliebtheit verlieren könnten, steht Netflix zunehmend unter Druck. Laut der Wall-Street-Analystin Laura Martin sei der Streaming-Pionier im sich verschärfenden Wettbewerb mittlerweile einfach zu teuer. Die Premium-Abo-Varianten mit Preisen zwischen 9 und 16 Dollar pro Monat seien nicht länger aufrechtzuerhalten, so Martin, vor allem nicht angesichts der Konkurrenz von Apple TV+, Disney+, Hulu und CBS All Access, die Abo-Varianten mit einer Monatsgebühr zwischen 5 und 7 Dollar anbieten.