Nicht zuletzt müssten die Sektkorken in den Zeitschriftenverlagen geknallt haben, seit selbst Soziale Medienplattformen wie Facebook dort breit werben. Das Problem der Verlage scheint ganz offensichtlich zu sein, dass die Bedeutung gedruckter Medien zugunsten von elektronischen und Live-Verbreitungswegen abnimmt. Ein tragfähiges Geschäftsmodell samt Vermarktungsketten, um Qualitätsjournalismus online zu finanzieren, scheint - trotz zwischenzeitlicher Erfolge - über zwanzig Jahre nach Start des Internets noch nicht ausreichend gefunden zu sein. Auch die Chance, gemeinsam Plattformen für qualitativ hochwertigen Content zu bilden, scheint vertan. Die Verantwortung dafür liegt indes bei den Medienhäusern selbst und sollte nicht auf andere abgewälzt werden.

Die Verantwortung der werbungtreibenden Wirtschaft gegenüber den meinungsbildenden Medien besteht in der Wahrung ihrer Unabhängigkeit. Für die innere und äußere Vielfalt sind sie selbst verantwortlich. Das Gebot der Unabhängigkeit gilt ausdrücklich auch für journalistische Medien, deren politische Präferenz und Meinung man nicht teilt. Das gilt sogar für entsprechende Blogs, die von engagierten Mediaverantwortlichen allzu forsch auf Blacklists gesetzt werden. Einziger Maßstab zur Bewertung von journalistischer Qualität im politischen und gesellschaftspolitischen Kontext ist aus Sicht der Werbungtreibenden die Einhaltung der einschlägigen presserechtlichen Gesetze und Kodizes.

Konkret: Da, wo verunglimpft wird und zu Hass und Gewalt aufgerufen wird, sollte die Grenze der Zusammenarbeit sehr strikt gezogen werden. Die Einhaltung von Gesetzen und eine etwaige Regulierung von jedweder Marktmacht – wie sie etwa Facebook unterstellt wird - ist Sache der Politik, die ja offensichtlich nicht untätig ist. Das definiert auch die Mediaplanung von Wirtschaftsunternehmen. Sie folgt marketing- und vertriebspolitischem und letztlich wirtschaftlichem Kalkül. Das muss sie auch. Onlinevermarktungsplattformen spielen hier eine zunehmend bedeutende Rolle, weil sie wirtschaftlich sind. Wenn sie übersteigerter Silicon-Valley-Hörigkeit folgte, ist das ein Problem, aber kein ethisches. Die Moralkeule schlägt ins Leere." 

Thomas Voigt ist seit 2004 Head of Corporate Communications bei der weltweit tätigen Otto Group, Hamburg. Zuvor hat der 58-jährige die Medienbranche lange Jahre als Journalist beschrieben und später begleitet. Von 1989 bis 1997 war er Chefredakteur von W&V und HORIZONT. Ab 1997 bis 2004 betreute er als Chefredakteur das Unternehmermagazin Impulse und später das junge Wirtschaftsmagazin BIZZ.
Der Handels- und Kommunikationsexperte wurde 2009 mit dem renommierten Preis „PR-Professional des Jahres“ des PR-Reports ausgezeichnet. Für einen frühen Beitrag über die kommenden Veränderungen in der Kommunikationslandschaft durch Social Media wurde er bereits 2010 von W&V zum "Zeichensetzer des Jahres" gekürt.