Das Paket ist auch deshalb so wichtig, weil die EU-Gesetzgebung der kommenden Jahre darauf aufbauen soll: "Es ist die Grundlage für die Regulierung von Plattformen aller Art und daran können wir heute und in den kommenden Jahren spezifische Gesetze und Auflagen andocken", sagte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton kürzlich der "Welt". Als Beispiele nannte er Terrorismus, Kinderpornografie oder Hassrede.

Warum sind die neuen Vorschläge aus Sicht der EU-Kommission nötig?

Bislang gilt in der EU online mitunter das Recht des Stärkeren. Damit soll Schluss sein. Die EU-Kommission bemüht sich zwar schon länger um einen konsequenteren Kurs gegenüber Facebook, Amazon, Google und Co. Lange setzte die Behörde jedoch auf Freiwilligkeit - etwa bei der Bekämpfung von Fake-News-Kampagnen in sozialen Netzen.

Zugleich verhängte die für Wettbewerb zuständige Vestager Milliardenstrafen etwa gegen Google und Amazon. Die Dänin warf den Unternehmen vor, ihre Marktmacht rechtswidrig genutzt zu haben. Das Problem: Derlei Strafen werden erst nach jahrelanger Untersuchung verhängt. Mögliche Konkurrenten existieren da vielleicht nicht mehr.

Zugleich haben Digital-Start-ups es in der EU je nach Thema mit etlichen Rechtslagen zu tun. Das macht das Geschäft für die Kleinen aufwendig und unattraktiv. Deutschland beispielsweise ist zum Missfallen der EU-Kommission mit dem NetzDG gegen Hasskriminalität vorgeprescht. Große Unternehmen mit den nötigen Ressourcen können mit einem derlei fragmentierten Markt besser umgehen.

Wie will die EU-Kommission nun gegen diese Probleme vorgehen?

Die Brüsseler Behörde will mehrere Hebel ansetzen. Vestager als oberste Digital-Politikerin der EU-Kommission und Breton sind zusammen zuständig. Im DMA soll ein neues Werkzeug eingeführt werden, das schon dann greift, bevor bestimmte Märkte kippen - die Macht eines einzelnen Unternehmens also unkontrollierbar wird. Dies wäre für die EU ein großer Schritt zu mehr Handlungsmacht.

Zugleich sollen die Plattformen, die bislang selbst entscheiden, welche Inhalte sie warum löschen und welche nicht, Vorgaben für die Moderation von Inhalten bekommen. Einem Bericht der "Financial Times" zufolge, der sich auf einen Entwurf des Gesetzesvorschlags bezieht, sollen sie Daten darüber, wie sie mit illegalen Inhalten umgehen, mit Behörden und Forschern teilen. Werbung soll transparent gekennzeichnet werden. Und Verkaufsplattformen wie Amazon sollen die Anbieter auf ihren Seiten überprüfen. Verbraucherschützer hatten immer wieder beklagt, dass Kunden im Netz nicht vor gefälschten Produkten sicher seien.

Eine grundsätzliche Haftung der Plattformen etwa für illegale Inhalte auf ihren Seiten ist aber wohl nicht vorgesehen. Demnach würde es bei dem bisherigen Prinzip bleiben, dass beispielsweise Facebook illegale Inhalte erst dann löschen muss, wenn das Unternehmen darauf hingewiesen wird.

Wie soll all das kontrolliert werden? Und welche Strafen drohen?

Zwischenzeitlich hat die EU-Kommission mehr oder weniger laut darüber nachgedacht, dass für die Kontrolle eine neue EU-Behörde zuständig sein könnte. Im Politikmagazin "Politico" heißt es, die EU-Kommission werde künftig durch ein neues Gremium, den Europäischen Ausschuss für digitale Dienste, dazu beitragen, potenziell EU-weite Probleme zu überwachen.

Dem Entwurf zufolge, auf den die "Financial Times" sich bezieht, drohen den Unternehmen Strafen von bis zu sechs Prozent des Umsatzes im Vorjahr - bei den ganz Großen kann das schnell in die Milliarden gehen. Die tatsächliche Höhe soll etwa davon abhängen, wie schwer und lange der Regelverstoß war. Demnach soll in der EU auch erstmals definiert werden, was eine "sehr große Plattform" ist. Dieser Begriff soll greifen, wenn eine Plattform mehr als 45 Millionen Nutzer in der EU und dadurch unverhältnismäßig viel Einfluss hat. Derlei Unternehmen sollten einen oder mehrere "Compliance Officer" ernennen, der sicherstellt, dass die neuen Regeln umgesetzt werden.

Eine Zerschlagung der Tech-Giganten erwägt die EU-Kommission derzeit nicht. In den USA sieht das zumindest mit Blick auf Facebook anders aus. Die Regierung in Washington sowie mehr als 40 Bundesstaaten wollen wegen unfairen Wettbewerbs vor Gericht die Zerschlagung des Konzerns, dem auch der Messenger-Dienst Whatsapp sowie die Foto-App Instagram angehören, erreichen.

Was könnten die Brüsseler Vorschläge bedeuten?

Einfach wird es nicht, die Marktmacht der großen US-Konzerne einzuhegen, die schon seit Monaten massiv für möglichst gefällige Vorschläge aus Brüssel lobbyieren. Dabei bemühte sich die EU-Kommission stets, ihre Vorschläge möglichst harmlos aussehen zu lassen: Unternehmen seien mehr als willkommen, in der EU erfolgreich zu sein - aber eben nur, wenn andere Firmen nicht unrechtmäßig kleingehalten werden, sagte Vestager. Sollten die neuen Regeln die Fragmentierung des digitalen Binnenmarkts beenden und fairere Bedingungen schaffen, könnten sie tatsächlich für mehr Wettbewerb - und dadurch für mehr Innovation in Europa - sorgen.

Wie geht es jetzt weiter?

Bis Digital Services Act und Digital Markets Act Wirklichkeit sind, wird es noch Jahre dauern. Zunächst einmal stehen Verhandlungen unter den EU-Staaten sowie im Europaparlament an. Anschließend müssen beide Seiten sich auf eine gemeinsame Linie einigen. Dass es in viele Fragen zur Konfrontation kommen wird, ist absehbar.