Amazon:
Urteil: Händler haftet nicht für Kundenbewertungen
Meinung oder Werbung: Wer ist für leere Versprechungen in Amazon-Kundenbewertungen verantwortlich? Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat entschieden, dass Händler nicht grundsätzlich haftbar sind.
Ein Händler haftet grundsätzlich nicht für Kunden-Bewertungen auf Amazon. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. In dem Fall ging es um einen Händler aus Essen, der über die Plattform Amazon Muskel-Tapes verkauft hatte. Mehrere Kunden schrieben unter sein Angebot, das Tape helfe schnell gegen Schmerzen. Eine solche Wirkung ist wissenschaftlich aber nicht nachgewiesen.
Klage hatte in Vorinstanzen keinen Erfolg
Der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) hatte den Händler deswegen schon vor längerem darauf verpflichtet, mit dieser Behauptung nicht mehr zu werben. Durch die Bewertungen auf Amazon sieht der Verband die abgegebene Unterlassungserklärung verletzt. Nun soll der Verkäufer Abmahnkosten und eine Vertragsstrafe zahlen. Nach Ansicht des VSW hätte der Händler die Löschung der Bewertungen veranlassen oder das Produkt gleich ganz von der Seite nehmen müssen.
In den Vorinstanzen hatte die Klage keinen Erfolg. Die Bewertungen seien keine Werbung, urteilte 2018 das Oberlandesgericht (OLG) Hamm. Der Verkäufer habe darauf keinen Einfluss, ihr Inhalt könne sich in kürzester Zeit verändern. Der Durchschnitts-Verbraucher wisse zudem ungefähr, wie Amazon und das Bewertungssystem funktionierten.
In Karlsruhe wurde der Streit im November verhandelt. Dabei hatte es zunächst so ausgesehen, als ob sich die obersten Zivilrichter dem OLG anschließen. Aber dann gab es auch kritische Nachfragen - zum Beispiel, ob der Verkäufer nicht doch verpflichtet sein könnte, die Seite mit seinem Produkt hin und wieder auf heikle Inhalte zu prüfen.
Bewertungen als Meinung verfassungsrechtlich geschützt
Nach Feststellung des BGH hatte der Händler aber nicht mit den Kundenbewertungen geworben. Die höchsten deutschen Richter unterstrichen zudem, solche Bewertungen seien vom Verbraucher gewünscht und als Meinung verfassungsrechtlich geschützt. Für eine konkrete Gesundheitsgefährdung, die dieses Recht hätten aushebeln können, habe es jedoch keine Anhaltspunkte gegeben.
"Das Urteil bringt Rechtssicherheit für Anbieter, die Amazon zum Vertrieb ihrer Produkte nutzen. Sie müssen Produktrezensionen nicht selbst darauf überwachen, ob sie unzutreffende Angaben enthalten", sagt Dr. Simon Apel, Experte für IT- und Internetrecht der Kanzlei SZA, Schilling, Zutt & Anschütz. Auch für die Rezensenten sei dies begrüßenswert - denn sie müssten nicht mehr fürchten, dass ihre Rezensionen durch den jeweiligen Produktanbieter geprüft werde. "Ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wird hierdurch gestärkt."
Und was sind die Auswirkungen für den Internet-Riesen? "Für Amazon bedeutet das Urteil, dass die bisherige Rezensionspraxis nicht geändert werden muss", sagt Apel. "Amazon muss allerdings schon nach der bisherigen Rechtslage unter bestimmten Umständen gegen rechtswidrige Inhalte vorgehen, die Dritte auf der Plattform bereitstellen." (ak)