Diese drei Dimensionen können stark zusammenspielen und gewichtet werden. Wichtig ist jedoch, bestmöglich zu evaluieren, mit welcher Dimension man als Grundlage beginnen sollte ("Stichwort Digitalstrategie"). Ein Beispiel: Es würde wenig zielführend sein, Prozesse für ein Businessmodell zu optimieren, welches womöglich in zwei Jahren obsolet ist. Deshalb ist so wichtig, sich einen externen Blick auf das eigene Geschäftsmodell im aktuellen Marktkontext einzuholen. 

2. Kultur folgt Vision

Braucht es eine Digital First-Kultur, um ein Unternehmen in die Zukunft zu steuern oder muss zuerst eine Vision vorhanden sein, um die Kultur in diese Richtung zu entwickeln? Natürlich gibt es in der Praxis starke Interdependenzen. Und deshalb bedarf es (zusätzlich) Menschen, die eine digitale DNA mitbringen, die ausgestattet sind mit Daten und einem Sinn für die Marktentwicklung, um zunächst eine Vision für das Unternehmen in einer digitalen Welt zu entwickeln. Die kulturelle Weiterentwicklung sollte man daneben jedoch keinesfalls vernachlässigen, sondern sie vielmehr als eine der Hauptaufgaben der operativen Transformation sehen. Die Erfahrung zeigt, dass man die digitale Zukunft eines traditionellen Unternehmens nicht sichern kann, indem man traditionell denkende und arbeitende Mitarbeiter in ein Weiterbildungsseminar Digital First-Kultur steckt.

3. Disrupt yourself

Jedes Unternehmen sollte sich bewusst sein, dass es gerade in diesem Moment hunderte Menschen gibt, die sich darüber den Kopf zerbrechen, wie man "meine" Branche umkrempeln kann. Der einzige Weg, den Erfolg des eigenen Business aufrecht zu halten, ist die Bereitschaft, sich selbst - sein eigenes Business Modell - zu disruptieren. Dabei geht es nicht darum, bestehendes Business gleich über Bord zu werfen, sondern vielmehr um die Bereitschaft und den Mut, sich ehrlich damit auseinanderzusetzen, wie man das eigene Business durch neue Möglichkeiten und sich verändernden Kundenansprüche wettbewerbsfähiger machen kann. 

4. Künftige Erfolgsfaktoren der eigenen Branche verstehen

Jeder Markt und jede Branche hat seine eigenen Erfolgsfaktoren, um die alle Marktteilnehmer ringen. Sei es Preis, Qualität, Servicegestaltung oder Verfügbarkeit und Individualisierung. Tatsächlich ist es so, dass die Digitalisierung in vielen Branchen die Markteintrittsbarrieren senkt, wodurch innerhalb weniger Jahre völlig neue Wettbewerber in Märkte drängen und die Spielregeln ändern (Stichwort: "Disruption"). Deswegen ist es so wichtig, sich damit auseinander zu setzen, wie sich die Wettbewerbsfaktoren verändern, wer potenzielle neue Wettbewerber sein können, und was Kunden in Zukunft an Produkten und Services wichtiger wird. Da Unternehmen, die in einer Branche eine hochwertige Dienstleistung mit bewährten Kunden anbieten in der Praxis Gefahr laufen, wichtige Veränderungen nicht immer live mitzubekommen, ist es wichtig, sich durch externe Berater Expertise zu holen. 

5. Eine effektive Strategie braucht Input von vier Typen

 Eine zielführende Ausrichtung in die digitale Zukunft lässt sich durch die Kombination aus vier Typen erarbeiten: 

• Interne: Personen, die lange im Unternehmen sind und die Branche beherrschen

• Externe: Personen, die nicht im Unternehmen arbeiten und dadurch freier denken

• Business Consultants: Personen, die ein hohes Verständnis von Business Modellen und Business Case Kalkulationen haben

• Digital Early Adopter: Personen, die die technologischen Standards von morgen schon jetzt alltäglich nutzen.

Bei der Erarbeitung und Umsetzung einer Digitalstrategie besteht demnach die Herausforderung auch darin, diese vier verschiedenen Typen in einen konstruktiven Dialog zu bringen.

6. IT -Strategie ist nicht gleich Digitalisierungs-Strategie

Eine IT-Strategie ist keine Digitalstrategie. Die Infrastruktur, Tools und das Datenmanagement kann der ausschlaggebende Wettbewerbsfaktor sein, aber zuerst braucht es ein Verständnis, wohin sich der Markt aktuell bewegt und welche Rolle man dort als Unternehmen einnehmen kann oder will. Für die Erarbeitung einer solchen Digitalstrategie ist die IT also ein wichtiger Inputgeber und natürlich entscheidend in der Operationalisierung. Man sollte jedoch nicht den Fehler begehen, das Thema Digitalisierung mit dem Vorhandensein einer IT-Strategie als erledigt abzuhaken. 

7. Datenmanagement verstehen

Neben der Kultur zählen das Management und die Integration von Daten zu den größten Herausforderungen in der Digitalen Transformation. Sollte die digitalverantwortliche Person nicht bereits Vorkenntnisse in diesem Bereich mitbringen, ist eine Druckbetankung - beispielsweise in Form einer Weiterbildung - sehr zu empfehlen. Es hilft zu verstehen, was bereits jetzt aus den Daten der Unternehmensprozesse gewonnen werden kann beziehungsweise dies rechtzeitig in die Ausrichtung der Digitalen Transformation intelligent zu integrieren - oder auch einfach, um Agenturen besser zu steuern.

8. Transformation ist Führungsaufgabe

Wenn Kultur der Kontext ist, ist Führung das Navigationsgerät. Die digitale Transformation ist immer Chefsache. Und das ist eine klassische Führungsaufgabe. Allein schon um Widerstände und Silos aufzubrechen, muss klar sein, dass die digitale Transformation ein strategisches, zentrales Projekt ist, bei dem die Führung nicht nur eng eingebunden ist, sondern auch zentraler Antreiber. Mit oder ohne CDO-Titel, die für die digitale Transformation verantwortliche Person braucht deshalb mehr Austausch mit der Geschäftsführung als in quartalsweisen Reportings.

Für den Fortschritt, die Integration ins Daily Business, Anpassungen, aber vor allem auch für den Aufbau von Digitalverständnis und -expertise bei der Geschäftsführung braucht es mindestens einmal pro Monat einen inhaltlichen Austausch. Und deshalb ist Kommunikation auch so wichtig. Stakeholder müssen verstehen, warum etwas geschieht, warum es notwendig ist und müssen verstehen, warum sie nicht nur als Mitarbeiter, sondern warum auch das Unternehmen besser dastehen wird. Also intern wie extern Veränderungen kommunizieren.

9. Digital Labs von Beginn an zu Ende denken

Wo kommen die digitalen Impulse eigentlich her? Sind digital Labs das Allheilmittel? Hinsichtlich der viel beschworenen Innovation Labs hat sich mancherorts eine erste Ernüchterung eingestellt. Das bestätigt eine Studie von Boston Consulting Group (2019), die sagt, dass die meisten ihr Versprechen nicht erfüllen, ihrem Zweck nicht gerecht würden. Zu sagen, Innovation Labs sind grundsätzlich der falsche Weg, wäre jedoch nicht richtig. Um eine Chance auf Erfolg zu haben, sollten allerdings folgende Faktoren von Beginn an sichergestellt sein.

• Bewertungsmodell, das hilft einzuschätzen, ob und wann eine Idee erfolgsversprechend ist

• Definierter Prozess, um tatsächlich aus der Ideationsphase in die Umsetzung gehen zu können

• Ein Team mit starkem Verständnis für Business Modelle

• Commitment der Geschäftsführung, sich regelmäßig auszutauschen, um ein optimales Nähe-Distanz-Verhältnis zwischen Mutter und Innovation Lab zu finden

10.  Zwei bis sieben Jahre für Transformation sind realistisch

Operative Prozesse nachhaltig verschlanken, neue Erlösquellen etablieren oder die Customer Experience drastisch verbessern, brauchen von Strategie bis Umsetzung oftmals mehrere Jahre. Entsprechend sollte man sich bewusst sein, dass zu implementierende Maßnahmen in der Regel keinen kurzfristigen Profit abwerfen oder diesen erhöhen. 

Man kann außerdem davon ausgehen, dass man am Ende der Transformation nicht das als Ergebnis vorliegt, das zu Beginn des Prozesses anvisiert wurde. Digitale Transformation besteht nämlich aus 50 Prozent Strategie und 50 Prozent Trial & Error. Aber das ist immer noch besser als Wachstumseinbrüche von 80 Prozent, weil die Kernmärkte wegbrechen.

Abschließend: Niemand sagt, dass die digitale Transformation ein Selbstläufer ist. Es ist ein komplexer Prozess, bei dem die Beteiligten Offenheit brauchen, sich auf das im aktuellen Kontext am besten passende Konzept einzulassen. Es braucht Mut, alte Zöpfe abzuschneiden und Gewohnheiten zu überdenken, auch wenn angestoßene Veränderungsprozesse zuweilen auf Widerstände stoßen. Wichtig ist, dass Unternehmen verstehen, dass die eigenen Kernkompetenzen, in denen man eine sehr hohe Expertise hat, an einen veränderten Kontext anzupassen. Und wer diese Expertise auch noch mit smarten Datenstrategien verbindet und damit in der Lage ist, ganz neue Dienstleistungen abzubilden, wird die Transformation erfolgreich meistern.

 


Autor: W&V Gastautor:in

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